Kindernothilfe Schweiz. Kindern Zukunft schenken.

Rumänien: Ein Kloster wird zum Zufluchtsort

Text: Katharina Nickoleit, Fotos: Christian Nusch

Als im Februar 2022 der russische Krieg gegen die Ukraine begann und zigtausende Menschen vor den Bomben flohen, öffnete ein rumänisches Kloster seine Türen für die Schutzsuchenden. Die Kindernothilfe unterstützt die Pater dabei, den Familien zu helfen.

Wenn Tatjana mit ihrer kleinen Tochter auf dem Arm den grossen Speisesaal betritt, müssen die übrigen Geflüchteten und auch die Mitarbeitenden des Karmeliterklosters Snagov unwillkürlich lächeln. „Hallo Nastia“, sagt ein älterer Herr und kitzelt die Kleine am Bauch. Das Baby lacht glucksend auf und strahlt auch die Küchenhilfe an, die kurz ihre Arbeit unterbrochen hat. „In meiner Heimatstadt Odessa heulen ständig Sirenen, und es fallen täglich Bomben“, erzählt die junge Mutter. „Mein Mann und ich entschieden gemeinsam, dass es besser ist, wenn ich mich mit unserer Tochter in Sicherheit bringe.“ Die 27-Jährige musste nicht alleine fliehen, ihre Mutter Elena begleitete sie und die damals gerade einmal vier Monate alte Nastia über die Grenze. Nun teilen sich die drei ein Zimmer in dem Kloster vor den Toren der rumänischen Hauptstadt Bukarest.

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Tatjana und ihr Baby Nastia im Klosterhof in Snagov (Quelle: Christian Nusch)
Tajtana und ihr Baby im Klosterhof (Quelle: Christian Nusch)
Tatjana und ihr Baby Nastia im Klosterhof in Snagov (Quelle: Christian Nusch)
Tajtana und ihr Baby im Klosterhof (Quelle: Christian Nusch)

Kinder füllen das Haus mit Leben 

Im Moment ist die inzwischen acht Monate alte Nastia das einzige Kind, das bei den Karmelitern Zuflucht gefunden hat. „Es gab Wochen, in denen wir an die 100 Kinder hier hatten. Wenn die Familien ankamen, waren die Kinder traurig und verängstigt“, erinnert sich Pater Antonio. Er gehört zur Leitung des Klosters, das eigentlich eine religiöse Begegnungsstätte ist, in dem Gruppen von Gläubigen zu andächtigen Gebetswochen zusammenkommen. „Aber schon nach ein paar Tagen entspannten sie sich und füllten das ganze Haus mit Leben.“

Gemeinsam mit den anderen Patern richtete Antonio ein Spielzimmer ein und organisierte ehrenamtliche Helfer. Zwei russisch sprechende Nonnen aus einem anderen Kloster zogen vorübergehend ein und halfen bei der Kommunikation. „Sie konnten auch beraten, wie es weitergeht, oder einfach nur zuhören. Das war sehr wichtig für die Menschen, die von heute auf morgen ihr bisheriges Leben und ihre Männer, Väter und Brüder zurücklassen mussten.“

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Alle lieben Nastia: im Speisesaal des Carmeliterklosters mit Pater Antonio (Quelle: Christian Nusch)
Tatjana, Baby Nastia und Pater Antonio im Speisesaal des Karmeliterklosters (Quelle: Christian Nusch)
Alle lieben Nastia: im Speisesaal des Carmeliterklosters mit Pater Antonio (Quelle: Christian Nusch)
Tatjana, Baby Nastia und Pater Antonio im Speisesaal des Karmeliterklosters (Quelle: Christian Nusch)

Baby Nastia kennt den Vater nur von Handyvideos

Auch Tatjana ist in ihren Gedanken ständig daheim in Odessa. „Mein Mann arbeitet für eine Organisation, die umkämpfte Städte mit Wasser und Lebensmitteln versorgt. Das ist eine sehr gefährliche Aufgabe.“ Genauso schlimm wie die Sorge ist der Gedanke daran, was die junge Familie alles verpasst. „Sergei war nicht dabei, als Nastia sich das erste Mal aufsetzte, er hat nicht erlebt, wie sie zu krabbeln begann. Und Nastia kennt ihren Vater nur über Handyvideos. Je nachdem, wie lange der Krieg noch dauert, wird er ihre ersten Schritte verpassen und ‚Papa‘ wird nicht zu ihren ersten Worten gehören. Das ist so traurig.“

Ihr Mann verpasst auch das bisher wichtigste Ereignis in Nastias Leben. „Unsere Tochter wurde hier im Kloster getauft. Es war eine ganz besonders schöne Zeremonie.“ In dem sonst eher nüchternen Speisessaal hängt noch die Girlande aus Engeln und Herzen, die ukrainischen Geflüchtete gebastelt haben. „Alle, die hier leben und arbeiten, haben mit uns gefeiert, und diese Nähe und Verbundenheit zu spüren, war etwas ganz Besonderes.“
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Kloster Snagov in Rumänien (Quelle: Christian Nusch)
Das Karmeliterkloster Snagov (Quelle: Christian Nusch)
Kloster Snagov in Rumänien (Quelle: Christian Nusch)
Das Karmeliterkloster Snagov (Quelle: Christian Nusch)

Tatjana will nicht noch weiter von zu Hause weg

Das Kloster liegt nur 20 Minuten vom international Flughafen Bukarest entfernt. Für viele Flüchtende aus der Ukraine war es eine Durchgangsstation, in der sie für ein paar Tage zur Ruhe kommen und Kraft schöpfen konnten, bis ihre Weiterreise zu Verwandten oder Freunden irgendwo auf der Welt organisiert war.

Doch Tatjana will nicht weiter weg. „Wenn der Krieg endlich vorbei ist, will ich so schnell wie möglich zu meinem Mann zurück. Deshalb will ich in der Nähe bleiben. Von hier aus sind es mit dem Auto nur zwölf Stunden bis nach Odessa.“ So ungeduldig Tatjana auch darauf wartet, noch sei die Rückkehr viel zu gefährlich, sagt ihr Mann bei jedem der täglichen Gespräche. Also bleiben Grossmutter, Mutter und Tochter weiterhin in Snagov. „Wir sind gerne hier im Kloster, alles sind sehr freundlich, sie spielen mit der Kleinen und schenken uns Milch und Babykleidung. Und meine Mutter, die Diabetikerin ist, wird mit Medikamenten versorgt. Wir sind sehr dankbar!“
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Über die Autorin

Katharina Nickoleit in einem Projekt in Moldau (Quelle: Christian Jung)
Katharina Nickoleit
ist freie Journalistin und berichtet mit ihrem Mann, dem Fotografen Christian Nusch, seit vielen Jahren aus unseren Projekten in aller Welt.

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